Blickwinkel: Öffentlichkeitsbeteiligung und Bürgerbeteiligung - was ist was?

Von
Kathleen Wächter
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20/1/2025
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5 Minuten
Öffentlichkeitsbeteiligung Bürgerbeteiligung Unterschiede

Wenn in Deutschland von Partizipation die Rede ist, hört man immer wieder zwei Begrifflichkeiten: Die Öffentlichkeitsbeteiligung und die Bürger*innenbeteiligung. Was ist aber genau was? Bei einem Kaffee in Berlin fragten wir den Beteiligungsexperten Dr. Andreas Paust, wie sich die Begrifflichkeiten voneinander unterscheiden lassen.

Inhalt:

Januar 2025 hat sich Jelena Gregorius, Senior Kundenberaterin und Beteiligungsexpertin bei Go Vocal, mit Dr. Andreas Paust getroffen. Dr. Paust ist aktuell Fachprojektleiter bei der 50Hertz Transmission GmbH. Für das Energieunternehmen, das 18 Millionen Menschen mit Strom versorgt, ist er für den Bereich Öffentlichkeitsbeteiligung tätig. Vor dieser Tätigkeit war er für den Aufbau der ‚Allianz Vielfältige Demokratie‘ mitverantwortlich. Hier befasst er  sich insbesondere mit Anliegen rund um Bürgerbeteiligung. Nebenberuflich beschäftigt er sich ehrenamtlich mit Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung. Seit 2021 ist er Vorsitzender des Kompetenzzentrums Bürgerbeteiligung e.V..

Seine Expertise teilt er zudem auf dem eigenen Blog partizipendium.de. Ein absoluter Fachmann also und der richtige Gesprächspartner für diesen Blickwinkel.

Öffentlichkeitsbeteiligung oder Bürgerbeteiligung. Gibt es eine klare Trennlinie, wenn es um diese zwei Beteiligungsbegriffe geht?

Andreas Paust: "Ganz trennscharf lassen sich die Begriffe nicht voneinander abgrenzen. Öffentlichkeitsbeteiligung ist eine meist gesetzlich festgelegte Einbindung der Bevölkerung. Sie ist zum Beispiel bei Bau- und Infrastrukturprojekten vorgeschrieben, und die dabei eingesammelten Hinweise richten sich vielfach an Genehmigungsbehörden. Bürger*innenbeteiligung erfolgt grundsätzlich auf freiwilliger Basis, und die eingesetzten Methoden können sehr vielfältig sein. In beiden Fällen geht es darum, dass Bürger*innen konkrete Hinweise geben, Vorschläge machen und Ideen entwickeln."

Wie sieht es denn mit den gesetzlichen Regelungen und Vorschriften aus - was gilt hier in Deutschland für Öffentlichkeitsbeteiligung und Bürgerbeteiligung?

Andreas Paust: "Die (frühe) Öffentlichkeitsbeteiligung ist unter anderem im Baugesetzbuch (§ 3), im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (§ 18) und im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 25, Abs.3) verankert. Hier geht es darum, dass die betroffene Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung erhält und Stellungnahmen abgeben kann.

Die Bürger*innenbeteiligung ist häufig in kommunalen Satzungen geregelt oder erfolgt anlassbezogen, wobei die eingesetzten Methoden und Verfahren, wie Runde Tische, Planungsworkshops, Bürgerräte, Bürgerbudgets, um nur ein paar Beispiele zu nennen, in der Regel frei wählbar sind."

In welchen Bereichen ist Öffentlichkeitsbeteiligung besonders relevant, und warum?

Andreas Paust: "Bürger*innen- und Öffentlichkeitsbeteiligung ist besonders wichtig bei großen Infrastrukturprojekten - z.B. einem Autobahnbau, einer neuen Bahnlinie oder der Errichtung einer Stromleitung. In allen diesen Fällen steht den betroffenen Anwohner*innen ein Eingriff in ihr Wohn- und Lebensumfeld bevor, über das sie frühzeitig informiert und – soweit wie möglich - an der Umsetzung beteiligt werden sollten. Natürlich wünscht sich niemand eine Autobahn vor der Haustür oder einen Strommast im Garten, dennoch kann die Öffentlichkeitsbeteiligung in diesen Fällen eigentlich nur Verständnis für die Notwendigkeit und die Nachvollziehbarkeit der geplanten Maßnahme erreichen. Ich spreche in diesem Fall von Verfahrensakzeptanz.

Die freiwillige Bürger*innenbeteiligung auf kommunaler Ebene dagegen kann vielfach zum Ziel haben, Vorschläge für die Gestaltung oder das Zusammenleben in der Kommune zu erarbeiten und Ideen zu sammeln. 

In allen Fällen ist das Erwartungsmanagement wichtig. Es muss von vornherein deutlich gemacht werden, was genau von den Bürger*innen noch beeinflussbar ist - und was nicht. Sonst entstehen ganz schnell Frustrationen, wenn die Beteiligungsergebnisse nicht umgesetzt werden."

Kannst du uns einen Einblick geben, wie die Beteiligung in Projekten zur kritischen Infrastruktur geregelt ist?

Andreas Paust: "Bei diesen steht das ‚ob‘ meistens schon fest. Dass solche Projekte realisiert werden sollen, wird vom Gesetzgeber beschlossen, und es ist nur noch offen, ‚wie‘ sie realisiert werden – z. B. wo genau eine neue Stromleitung verlaufen soll. Dabei gibt es strikte rechtliche Vorgaben für das anzuwendende Genehmigungsverfahren, die auch gerichtlich überprüfbar sind.

Für die Öffentlichkeitsbeteiligung sind in der Regel Frontalveranstaltungen wie Antragskonferenzen und Erörterungstermine vorgesehen. Meistens führen die Vorhabenträger von sich aus bereits im Vorfeld der formalen Genehmigungsschritte freiwillige Maßnahmen durch, um Transparenz über das Projekt herzustellen und Planungsentscheidungen nachvollziehbar zu machen."

Welchen Einfluss haben digitale Plattformen auf die Beteiligung von Bürger*innen und der Öffentlichkeit?

Andreas Paust: "Die Digitalisierung hat die Beteiligungsmöglichkeiten erweitert. Mit Projektwebsites und Beteiligungsplattformen können diejenigen erreicht werden, die keine Zeit oder keine Gelegenheit haben, an Informationsveranstaltungen oder Workshops teilzunehmen. 3-D-Visualisierungen und Augmented Reality stellen ebenso Transparenz her wie digitale Karten, die auch zur Abgabe von Hinweisen dienen können.

Dennoch gilt: gute Beteiligung setzt nicht nur auf digitale, sondern immer auch auf analoge Formate – denn nirgends kann besser diskutiert und zusammengearbeitet werden, als im direkten persönlichen Austausch."

Wie wird mit unterschiedlichen Interessen bei der Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsbeteiligung umgegangen?

Andreas Paust: "Unterschiedliche Interessen sind bei den meisten Planungs- und Entscheidungsprozessen ganz normal und sollten nicht unter den Teppich gekehrt werden. Wichtig ist, dass jeder, der das möchte, seine Interessen einbringen kann, und dass auf Augenhöhe darüber gesprochen wird. Das gilt ganz besonders für diejenigen Menschen, die nicht über die rhetorischen, organisatorischen und finanziellen Mittel verfügen, um ihre Interessen wirkungsvoll zur Geltung zu bringen. Sie müssen durch besondere Beteiligungsmaßnahmen und Veranstaltungsformate unterstützt werden. Entscheidend ist, dass am Ende eines Beteiligungsprozesses alle Interessen nachvollziehbar abgewogen wurden." 

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Kathleen Wächter
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Kathleen Wächter

Kathleen ist eine unabhängige Redakteurin und widmet sich einer Vielzahl Themen wie Demokratie, Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit. Sie arbeitet ausschließlich mit "den Guten" zusammen.

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