Die Marktgemeinde Wolfurt im österreichischen Vorarlberg zählt gerade mal 8765 Einwohner*innen. Im März macht der kleine Ort im Hinterland des Bodensees seinen Aufschlag in die Bürger*innenbeteiligung – mit einem partizipativen Haushalt. Und wir haben da so eine Ahnung: das wird erst der Anfang sein. Die Marktgemeinde plant, eine lang anhaltende partizipative Atmosphäre zu schaffen, in der die Wolfurter*innen mitdenken, mitwirken und mitgestalten.
Die Motivation für Partizipation in Wolfurt ist groß, die Herangehensweise entlang des Gemeindeleitbildes gut durchdacht. Wir freuen uns, in diesem Case anzuschauen, wie diese kleine Verwaltung mit begrenzteren Mitteln Bürger*innenbeteiligung auf höchstem Niveau in Gang bringt.
Durch das Bürger*innen-Budget soll sich eine Beteiligungskultur in Wolfurt etablieren, in der die Bürger*innen nicht nur gehört werden, sondern auch aktiv ihre Gemeinde mitgestalten können und wollen. Mitdenken, mitwirken und mitgestalten ist hier das Motto!
Von der Beteiligungsplattform
Bürger*innenbeteiligung in Wolfurt ist nicht neu, neu ist der Prozess der Verstetigung
Schon in der Vergangenheit haben sich die Menschen in Wolfurt engagiert, größere und kleinere Beteiligungsprozesse mit vorangebracht, wie z.B. 2007 das Leitbild. Nun soll Beteiligung aber mit dem 2023 aktualisierten Gemeindeleitbild und dem Bürger*innenbudget auf eine neue Stufe gehoben werden. Partizipation wird nicht als etwas punktuelles, sondern als etwas kulturelles etabliert.
Dabei wird das Wolfurter Leitbild als Arbeitsgrundlage für Politik und Verwaltung verstanden und als Leitfaden für die Bevölkerung, um die Gemeinde aktiv mitzuentwickeln. Hinter dem Beteiligungsvorhaben steht das Büro für Freiwillige Beteiligung und Engagement (FEB) und das Land Vorarlberg.
Bürger*innenbudget als Instrument der lokalen Demokratie
Das Bürger*innenbudget ist ein Instrument der lokalen Demokratie. Über die Intuitivität des Bürgerhaushaltsmoduls werden alle Prozesse dieser Methode – wie Ideenfindung, Bewertung und Planspiel für die Wolfurter*innen ganz einfach gemacht. Natürlich erhalten alle Teilnehmenden des Haushalts über die Plattform eine Update-Information, welche/s Projekt/e in die Auswahl und Umsetzung gehen.
Das Bürger*innen-Budget ist essenzieller Bestandteil des neuen Gemeindeleitbildes und repräsentiert ein Instrument, das der Wolfurter Bevölkerung nicht nur die Möglichkeit gibt, ihre Meinung zu äußern, sondern auch, aktiv Ideen einzubringen und umzusetzen.
Tina Winkler aus dem Beteiligungsteam der Marktgemeinde Wolfurt
15.000 Euro stehen den Bürger*innen für die Realisation von ein bis zwei Vorhaben bereit. Ab der dritten Phase des Projekts können die Wolfurter*innen ihre Ideen einbringen. Einzige Bedingung ist, dass sich der Vorschlag auf eines der sieben Themenfelder des Wolfurter Gemeindeleitbildes bezieht:
- Gern daheim in Wolfurt
- Wolfurt mein Wohlfühlort
- Ein starker Wirtschaftsstandort
- Natürliche Lebensgrundlage bewahren
- Nachhaltig mobil in Wolfurt
- Bildung für Gegenwart und Zukunft
- Transparente Gemeindefinanzen
Die Bürger*innen entscheiden selbst: Bürger*innenbudget als Mittel der Selbstwirksamkeit
Die eingereichten Ideen werden zwar von der Verwaltung geprüft (hinsichtlich Umsetzbarkeit, rechtlicher Aspekte etc.), am Ende liegt die Entscheidung darüber, welches Projekt realisiert wird, bei den Bürger*innen selbst. Auch die Umsetzung liegt bei den Projektgeber*innen. Natürlich werden sie – sofern nötig – von der Gemeinde unterstützt. Selbstwirksamkeit in der Demokratie durch politische Teilhabe wird in Wolfurt groß geschrieben.
Unser übergeordnetes Ziel besteht darin, nicht nur eine partizipative Atmosphäre zu schaffen, in der sich die Bürger*innen gehört fühlen, sondern auch eine aktive Selbstwirksamkeit zu ermöglichen.
Tina Winkler aus dem Beteiligungsteam der Marktgemeinde Wolfurt
Hybride Beteiligungsformate für einen erfolgreichen Bürger*innenhaushalt
Für den anstehenden Beteiligungshaushalt sollen ganz verschiedene Bürger*innengruppen aktiviert werden. Deswegen ist es wichtig, dass die Wolfurter*innen ihre Projektvorschläge sowohl online auf der Plattform als auch offline einreichen können. Die offline eingereichten Projekte werden dabei vom Kernteam auf der Beteiligungsplattform veröffentlicht.
Auch der Auswahl-Prozess erfolgt zweigleisig, ebenfalls online und offline, um eine umfassende Beteiligung sicherzustellen.
Nach der Abstimmung des „Siegerprojektes“ soll ein Partizipationsfestival gefeiert werden. Ein richtiger Hingucker für Wolfurt und seine neue Beteiligungskultur!
Doch bevor Ideen eingereicht werden können, müssen die Bürger*innen in Wolfurt erstmal über die neue Möglichkeit der kommunalen Mitbestimmung erfahren.
Partizipation ist Kommunikation: den Bürger*innenhaushalt publik machen
Das Beteiligungsteam in Wolfurt hat auf eine vielfältige Online- und Offline Kommunikationsstrategie gesetzt. Damit wollten Tina Winkler und ihre Kolleg*innen sicherstellen, dass wirklich alle Wolfurter*innen vom Bürger*innenbudget erfahren.
- Zu den Offline-Kanälen zählen beispielsweise die Gemeinde-Zeitung, der Wolfurter Veranstaltungskalender, regionale Zeitungen und Informationsmaterial in der Gemeinde.
- Zu den Online-Kanälen zählen Social Media, die offizielle Website der Gemeinde und natürlich die neue Beteiligungsplattform.
Die Go Vocal-Plattform spielt eine zentrale Rolle, um den Prozess zeitnah und transparent zu präsentieren. Hierbei unterstützt insbesondere die Funktion der automatisierten Mails, die beispielsweise den Start von Prozessphasen ankündigen.
Tina Winkler aus dem Beteiligungsteam der Marktgemeinde Wolfurt
Unabhängig von online oder offline ist es dem Beteiligungsteam in Wolfurt wichtig, einen guten Unterstützungskreis aus engagierten Bürger*innen einzubinden. Diese Personen fungieren als Brückenbauer zur Bevölkerung und tragen die Beteiligungsinfos zu den Menschen, die erreicht werden sollen.
Bürger*innenhaushalt: Herausforderungen mit einpreisen
Partizipation ist eine dauerhafte Lernkurve. Auch wenn das Projekt vielversprechend ist und alle Prozessschritte gut geplant sind. Das Wichtigste ist nicht mathematisch berechenbar, weil es schließlich darum geht, Menschen zu überzeugen und zu bewegen. Dass das vielleicht nicht auf Anhieb gelingt, davon dürfen sich Kommunen nicht entmutigen lassen. Vertrauensarbeit braucht Zeit.
Das Wolfurter Beteiligungsteam ist trotz großer Vorfreude realistisch: Interne und externe Herausforderungen existieren. Vielleicht werden nur wenige Personen teilnehmen, weil sie dem Projekt noch etwas skeptisch gegenüberstehen oder weil sie befürchten, enttäuscht zu werden, wenn ihr Vorschlag es nicht in die Endrunde schafft. Interne Bedenken sind klassischerweise die Sorge um zeitliche oder personelle Ressourcen. Es ist die Aufgabe des Kernteams, findet Tinka Winkler, diese Bedenken anzugehen und zu klären, um eine langfristig positive und effektive Partizipation zu gewährleisten.
Ihr Tipp – auch für andere kleinere oder ländliche Kommunen – ist deswegen „Verbündete“ zu suchen: „Das können Kolleg*innen als auch Bürger*innen sein, die die Beteiligungsprojekte in die Bevölkerung tragen, Unterstützung bei der Organisation bieten und regelmäßig Feedback geben, um die Beteiligung passend für die Bevölkerung zu gestalten und so eine breitere Akzeptanz für partizipative Prozesse zu schaffen.“
Mit dem Bürger*innenbudget trifft Wolfurt inklusive, transparentere und effektivere Finanzentscheidungen
Wir beobachten das Vorhaben in Wolfurt mit großem Interesse und berichten wieder, spätestens wenn das erste Partizipationsfestival gefeiert wurde, bei dem die Projekte der Bürger*innen gezeigt wurden.
Wolfurt hat die Weichen gestellt für eine beständige Beteiligungskultur, die Bürger*innenbeteiligung als festen Bestandteil der kommunalpolitischen Arbeit begreift. Wir sind zuversichtlich, dass das Bürger*innenbudget ein toller Ansatz ist, um die Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und den Menschen in Wolfurt dauerhaft zu stärken.
Haben Sie Lust bekommen, mit Bürger*innenbeteiligung durchzustarten? Dann beraten wir Sie gerne! Vereinbaren Sie ein unverbindliches Beratungsgespräch!