Ein paar Fakten zur Stadt Wetzlar: Wetzlar ist kreisangehörige Stadt mit Sonderstatus, hat knapp 55.000 Einwohner*innen und ist altersmäßig gut durchmischt. Die Stadt beherbergt einen Standort der Technischen Hochschule Mittelhessen und ist ein bedeutendes Zentrum der optischen Industrie. Wetzlar liegt an der Lahn und ist dank der schönen Altstadt mit Fachwerk und Domplatz auch ein touristisches Ziel.
Wir heißen Wetzlar in Hessen herzlich im Go Vocal-Netzwerk willkommen und freuen uns, nach den ersten abgeschlossenen Workshops den Prozess zum Auftakt in die Beteiligungsprojekte und in die Digitalisierung begleiten zu dürfen.
Wie der Beteiligungs-Auftakt gestaltet wurde und welche Themen als nächstes mit den Menschen in Wetzlar vorangebracht werden? Das wollten wir auch wissen und deswegen haben wir uns für eine kurze Fragerunde mit Dr. Wehrenfennig verabredet. Er ist Leiter der Stabsstelle Bürgerbeteiligung und Digitale Perspektive in Wetzlar.
Herr Dr. Wehrenfennig, als Leiter der Stabsstelle Bürgerbeteiligung und Digitale Perspektive haben Sie die Weiterentwicklung der Bürger*innenbeteiligung in Wetzlar vorangetrieben. Mit dem Ziel der Entwicklung und Etablierung einer respektvollen Beteiligungskultur in Wetzlar als Teil einer zukünftigen Smart City Wetzlar wird gerade eine digitale Beteiligungsplattform eingeführt. Können Sie uns mehr über die Pläne der Stadt Wetzlar erzählen?
In Wetzlar wurden in den letzten Jahren verschiedene Beteiligungsverfahren von unterschiedlichen Fachämtern erfolgreich durchgeführt. Dieses Wissen aus den verschiedenen Prozessen soll nun an einer Stelle gebündelt werden, um aus den unterschiedlichen Erfahrungen besser profitieren zu können. Dazu soll durch einfachere Umfragen und andere Module auch kleinere Projekte mit mehr Bürgerbeteiligung geplant und durchgeführt werden.
Wie haben Bürger*innen bisher die Prozesse in Wetzlar beeinflusst?
Neben der Teilnahme an den großen Projekten zum Beispiel dem ISEK – Innenstadtentwicklungskonzept gab es immer wieder Ideen, die auf den unterschiedlichen Wegen kamen. Manchmal ging es über die Politik durch eine Anfrage oder einen Antrag in der Stadtverordnetenversammlung oder in einer Bürgersprechstunde der Dezernenten. Dazu kamen auch Briefe und E-Mails, die an die Stadtverwaltung geschickt wurden.
Alle fünf Jahre erfolgte dann die größte Beeinflussung durch die Kommunalwahl, bei der Parteien mit unterschiedlichen Ideen oder Projekten gewählt wurden. Es gibt aber auch noch den Wunsch der Bürger*innen nach mehr Bürgerbeteiligung, besonders in den Fällen, bei denen einem das Ergebnis bzw. der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung nicht gefiel und teilweise Bürgerinitiativen gegründet wurden. Diese unterschiedlichen Wünsche nach Einflussmöglichkeiten zusammenzubringen ist die zukünftige Aufgabe.
Was war für Sie bei der Wahl einer Online-Beteiligungsplattform entscheidend?
Die Plattform sollte einfach in der Handhabung durch die Bürger*innen aber auch für die Verwaltung sein und möglichst eine große Bandbreite an Modulen bieten. Für eine Zusammenführung der Beteiligungsprojekte war mir eine gute Archivfunktion wichtig, um auch transparent die Entwicklung nach dem Beteiligungsprozess dokumentieren zu können.
Für die Entwicklung einer respektvollen Beteiligungskultur braucht es neben dem niederschwelligen Zugang auch viele Möglichkeiten für eine gute Kommunikation. Um möglichst alle bei einem Beteiligungsprozess mitzunehmen, waren auch hybride Möglichkeiten für die Kombination von online und offline ein wichtiges Kriterium, mit dem Wunsch dadurch mehr Personen aus dem Bereich der schweigenden Mehrheit zu beteiligen.
Wer wird sich um die Beteiligungsplattform kümmern? Wurden dafür intern neue Strukturen geschaffen?
Die Stabsstelle Bürgerbeteiligung und Digitale Perspektive wurde im Juni 2022 eingerichtet und befindet sich noch im weiteren Ausbau. Für den guten Austausch wurden verschiedene Gesprächsformate getestet, aber sich noch nicht abschließend auf eine feste Struktur geeinigt. Da die Nutzung der Plattform allen Fachämtern für interne und externe Projekte angeboten wird, sind es auch eher agile Strukturen, die sich etablieren werden.
Welche Verantwortlichkeiten liegen bei der Stabsstelle?
Die Stabsstelle kümmert sich um die Administration der Plattform und deren spezielle Bewerbung in der Stadtgesellschaft. Dazu werden die Möglichkeiten der Nutzung den einzelnen Ämtern erklärt und Projekte mit ihnen besprochen und geplant.
Mit welchem Beteiligungsthema werden Sie in den Austausch mit den Bürger*innen über die Online-Beteiligungsplattform einsteigen?
Es wird ein Thema des Monats geben, bei dem man im ersten Monat auf einem Stadtplan seine Lieblingsorte markieren kann. Dazu steht mit der Ideensammlung für die Erstellung eines „Rahmenplan Altstadt“ ein großer Beteiligungsprozess an, bei dem der Online-Teil über die Beteiligungsplattform laufen wird. Für erfolgte Beteiligungsprozesse wird es auch eine Darstellung der aktuellen Entwicklung geben, mit der Möglichkeit z.B. die aktuellen Baufortschritte beim Neubau unseres Freibades zu zeigen, und betreffende Fragen dort zu beantworten.
Wie sieht Ihre anfängliche Kommunikationsstrategie aus?
Die Einführung wird zusammen mit dem Start von weiteren Social-Media-Kanälen geplant, um die Bürger*innen möglichst in ihren bekannten Kommunikationsstrukturen abzuholen. Dazu gibt es eine Vernetzung mit den bestehenden Kommunikationstools wie der Stadt-Homepage und der Presse und separate hybride Bürgersprechstunden. Für die Sichtbarkeit in der realen Welt, werden schrittweise besondere städtische Aufenthaltspunkte wie die Stadtbüros, Bibliotheken oder Wartebereiche im Rathaus mit Werbung bestückt. Da die aufsuchende Bürgerbeteiligung ein wichtiger Teil der Stabsstelle ist, wird es auch dazu verschiedene Aktionen geben.
Sie wollen auch frisch durchstarten mit digitaler Bürger*innenbeteiligung? Oder Sie suchen nach Inspirationen für konkrete Beteiligungsthemen? Dann könnten auch diese Artikel interessant für Sie sein:
- Wie Sie einen Kommunikationsplan für Beteiligungsprojekte erstellen
- Wie Sie die Bürgerinnen und Bürger auf Ihre Plattform lenken
- 4 Gründe, warum soziale Medien für Bürgerbeteiligung allein nicht reichen